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Die Rolle des Unternehmers in der Marktwirtschaft, von Prof. Dr. Ludwig Erhard
"DIE ROLLE DES UNTERNEHMERS IN DER MARKTWIRTSCHAFT"
von
Prof. Dr. Ludwig Erhard
Aus meiner Sicht über die Rolle des Unternehmers in der Marktwirtschaft zu sprechen, gleicht
etwa der Weisheit, Eulen nach Athen tragen zu wollen. Die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft
als einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung stützt sich nicht zuletzt auf das Walten
freier und eigenverantwortlicher Unternehmer. Mit zunehmender Konzentration kann darunter aber nicht
mehr allein die individuelle Unternehmerpersönlichkeit, sondern in einem umfassenderen Sinn das
Unternehmertum in seiner privat- und volkswirtschaftlichen Funktion verstanden werden. Das Selb-
ständig-Sein ist zwar ein besonderes Merkmal, aber nicht allein entscheidendes Kriterium für die Werte
und Qualitäten, die den wahren Unternehmer auszeichnen. Ich drückte das wiederholt so aus: Unter-
nehmen wird man nicht eigentlich kraft Geburt; vielmehr muß man zum Unternehmer geboren sein.
Im Prozeß einer sich immer mächtigen entfaltenden Massengesellschaft werden der Entscheidungs-
freiheit des Unternehmers zunehmend engere Grenzen gesetzt, aber selbst im Zeichen der Mitbestimmung
wird die Willens- und Überzeugungskraft der verantwortungsbewußten Unternehmerpersönlichkeit
doch immer wieder entscheidend und bestimmend sein. Mögen ihr heute im Vergleich zu der rein
liberalistischen Ära auch noch andere Eigenschaften und Fähigkeiten wie soziale Gesinnung und das
Begreifen der modernen Welt abverlangt werden, so gilt als Maßstab unternehmerischer Leistung zu-
letzt doch immer die von ihm bezeugte sachliche und menschliche Führungsqualität. Solche Fähigkeiten
aber sind nicht beliebig delegierbar und auch kaum erlernbar. Der heute teils gescholtene und abgelehnte,
aber auch wieder gepriesene sog. Managertyp kann selbstverständlich über Unternehmereigenschaften ver-
fügen, solange er sich dessen bewußt ist, daß er seinen Auftrag nur in der Freiheit erfüllen kann und im Wett-
bewerb bestehen muß. Das macht den Unterschied zwischen dem erkorenen unselbständigen Unter-
nehmer und dem bloßen Funktionär aus, daß der erstere aus seiner inneren Haltung heraus dem Kol-
lektivismus abhold gegenüberstehen muß, während sich der Funktionär in meist ideologischer Gebunden-
heit hinsichtlich seiner individuellen Entscheidungsfreiheit eher gehemmt fühlen wird. Obwohl hier
indirekt das Problem der paritätischen Mitbestimmung anklingt, möchte ich diese Thematik an dieser
Stelle bewußt ausklammern.
Die Marktwirtschaft hat nach Beendigung des letzten Krieges einen SO glaubhaften Ausdruck
gefunden und so überwältigende Erfolge gezeitigt, daß ihr gegenüber sozialistische Wirtschaftsvorstel-
lungen immer mehr an Anziehungs- und Überzeugungskraft einbüßten. Das prägte sich besonders deut-
lich in meinem Land, der Bundesrepublik Deutschland aus und führte schließlich dahin, daß die
Gegner der Sozialen Marktwirtschaft mit der Formulierung eines ihrer Gesellschaftsvorstellung gemäßen
"auch-marktwirtschaftlichen Programms" dennoch offenkundig zu kapitulieren gezwungen waren.
Während wir aus dem Geiste der Mont Pelerin Society die Marktwirtschaft weniger und ganz
bestimmt nicht allein als nur Mechanik oder technischen Ablauf des Wirtschaftsgeschehens verstanden
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