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Das Unternehmerbild der Gewerkschaften, von G.A. Briefs
DAS UNTERNEHMERBILD DER GEWERKSCHAFTEN
von G. A. Briefs
Die klassische Ökonomik kannte keine dramatis persona: der Wirtschaftsvorgang war streng
determiniert durch Selbstinteresse und Konkurrenz, und das einzige Institut dieser Ökonomik war der
freie Markt. Was Joan Robinson vom klassischen Markte sagte: "The almost silent hum of a perfectly
running machine, the apparent stillness and exact balance of counter-acting pressures, the automatic
smooth recovery from a chance disturbance"- in diesem Modell gibt es keine dramatis persona. Gleich
im Anfang seines Wealth of Nations stieß Adam Smith auf das Problem, ob nicht der Kapitalgewinn
etwas mit der Unternehmerfunktion und -begabung zu tun habe. Mit Berufung auf die Durchschnitts-
profitrate lehnte er die Frage ab; mit dem gleichen Bezug auf die Durchschnittsprofitrate suchte Marx
im 3. Band des Kapitals den Widerspruch zur Arbeitswerttheorie des 1. Bandes zu versöhnen.
Erst Schumpeter hat dann die Figur des Unternehmers zur Zentralfigur des liberalen Kapitalis-
mus gemacht; damit stand im motorischen Zentrum des Wirtschaftsprozesses eine dramatis persona.
Ihr entstand bald die Gegenfigur, mit der die Klassiker nichts anzufangen wußten, nämlich die Gewerk-
schaft und ihre Führer. Man erinnert sich an die Verlegenheit von John Stuart Mill, nachdem das
Thornton-Buch on Labour (1868 erschienen) und von Mill in der Fortnightly Review im Mai 1969
besprochen worden war; Thorntons Buch unterbrach den dogmatischen Schlummer von Mill, aber in
der letzten Auflage seiner Principles änderte er seinen alten Standpunkt nicht, daß nämlich die Gewerk-
schaften die Lohnebene nicht beeinflussen könnten. Es dauerte lange, bis nach der halbkonzessionie-
renden Theorie von Cahrnes (1874), Lujo Bretano, ein liberaler Ökonom, erklärte, die Gewerkschaften
gehörten zum Kapitalismus, sozusagen existentiell und funktionell, denn sie regulierten das Angebot am
Arbeitsmarkt durch Unterstützung, Arbeitsvermittlung und Reiseausgaben. Etwas später kamen dann
die WEBB's; seitdem sind die Gewerkschaften als dramatis institutiones neben den Unternehmern zuge-
lassen; der Keynes der Allgemeinen Theorie hat sie akademisch respektabel gemacht.
Wenn Schumpeter von dem Unternehmer sagen kann, er sei der einzige freie Agent, der aus der
Determination des statischen Kreislaufes durch Innovation ausbreche, so finden wir uns heute genötigt,
dasselbe mehr oder weniger, ähnlich und doch anders, von der Führung großer Gewerkschaftsverbände
zu sagen.
Dieser Wechsel zur Annahme freier Agenten in der Wirtschaft ist zurückzuführen auf bestimmte
Wandlungen der Theorie. Für die Klassiker gab es noch eine "Natur" der wirtschaftlichen Dinge; Smiths
Naturbegriff stammt aus der Neo-stoischen Tradition und orientierte sich an der Newton'schen Pysik.
Wir erinnern uns an das Register klassischer Wirtschaftsgesetze, die noch bei Mark eine üppige Nachblüte
erlebten. Das Auftreten zweier Typen von dramatis persona in der wirtschaftlichen Entwicklung
indiziert, daß die Wirtschaft nicht mehr ein gesellschaftlicher "Naturprozeß" ist; für Joan Robinson ist
das long-run equilibrium ein schlüpfriger Aal; Mit einer gewissen Notwendigkeit sieht die Präsidialadresse
von Prof. Boulding vom Dezember 1969 die Logik dieser Entwicklung.
Zurück zu Schumpeters großer Leistung: sie liegt in der Analyse von statischem Kreislauf, Auf-
schwung, Hochschwung und Krise. Der Schumpeter'sche Unternehmer hat etwas von einem griechischen
Heros an sich: ökonomische Umwelt und ihre Daten verändern sich, wenn er durch Innovation in Aktion
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